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HASSENZAHL

Professor für "Ubiquitous Design / Erlebnis und Interaktion", Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Siegen

„Für mich persönlich ist Design eine Form Wissen zu schaffen.“

Wie definieren sie gutes design?

Gutes Design macht glücklich, aber nicht nur oberflächlich. Es weiß, was längerfristig gut tut. Es funktioniert, aber nicht immer im Sinne der Bequemlichkeit. Es hat Humor, darf auch mal besserwisserisch sein. Und Es hat Moral. So definiere ich gutes Design, aber sicher viele andere auch. Trotzdem könnten die Ergebnisse der Gestaltungsanstrengungen oft kaum unterschiedlicher sein. Ich denke mit Design ist es wie mit der Musik: Design ist gut, wenn es gut ist.

Woran haben Sie gemerkt, dass User Experience Design
das Richtige für Sie ist?

"User Experience Design“ war nicht einfach da, ich habe aktiv daran mitgearbeitet, zu definieren, was es denn sein könnte. Ich habe es mir also, zumindest im Rahmen meiner Möglichkeiten, zunächst „richtig“ gemacht. User Experience Design – oder wie ich es jedenfalls verstehe: als ein wohlbefindensorientiertes Design – ist richtig, weil es sich auf die positiven Seiten der Techniknutzung konzentriert, gleichzeitig auch kritisch mit ihr umgeht. Es geht nicht darum, sich immer wieder von vermeintlich umwälzenden technischen Möglichkeiten beeindrucken zu lassen, sondern die Frage zu stellen, ob der Lebensalltag durch ein technisches Konzept bedeutungsvoller und freudvoller wird. Sehr humanistisch, etwas utopisch, ein wenig weltverbessernd – also genau richtig für mich.

„Design macht Dinge schön und begehrenswert. Ich mag schöne Dinge, aber diese Art des Designs langweilt mich.“

Wie haben sich Ihrer Meinung nach die Schwerpunkte im Design in den letzten 50 Jahren bis heute verändert?

Es gibt viele „Designs“, die nebeneinander existieren. Und viele Elemente, die heute wichtig sind, waren es auch schon mal früher. Design ist in der öffentlichen Wahrnehmung meist mit der „guten Form“ beschäftigt. Design macht Dinge schön und begehrenswert. Ich mag schöne Dinge, aber diese Art des Designs langweilt mich. Ohne überbordenden Konsum funktioniert es nicht. An einigen Hochschulen wird gerade auch deshalb eine andere Art des Designs kultiviert. Eher konzeptionell, immer auf der Suche nach gesellschaftlichen Problemen die man angehen kann. Das bleibt zwar oft oberflächlich, ist aber eine klare Gegenpositionierung zum konsumistischen Verständnis von Design. Für mich persönlich, ist Design eine Form Wissen zu schaffen. Eine Art angewandte, interventionsorientierte, empirische Sozialwissenschaft. Für mich ist das aber auch leicht umzusetzen, denn als ausgebildeter Psychologe habe ich das methodische Repertoire, gestalterische Forschung auf wissenschaftlichem Niveau zu betreiben. Ich denke, das ist eine wichtige Zukunft für das Design, die aber möglicherweise außerhalb etablierter Designzirkel entstehen wird.

Wo sehen Sie die Chancen und Schwierigkeiten im Designprozess, bedingt durch die hochtechnisierte Umwelt in der wir uns befinden?

In manch romantischer Vorstellung von Design machen Designer noch alles selbst. Sie erfinden Materialien, neue Bearbeitungstechniken und vieles mehr. Ich denke, dies ist heutzutage in weite Ferne gerückt. Armeen von Chemikern, Ingenieuren, Materialwissenschaftlern entwickeln spannende und komplizierte Materialien und innovative Technik. Ansonsten glaube ich nicht, dass die hochtechnisierte Umwelt die größte Herausforderung für das Design ist. Tatsächlich ist Technik ja eine Gestaltungsressource. Sie bietet Möglichkeiten. Eher schon sind die hochkomplexe Psyche der Nutzer und die damit verbundenen sozialen Prozesse eine Herausforderung - und Chance zugleich. Wirklich psychologisch- und soziologisch-informiertes Design ist schwierig, bietet aber die Chance bedeutungsvoller sozialer Innovation. Das ist sicher mehr als ein neuer Stuhl – auch wenn er einen Preis gewinnt.

„Vielen unangenehmen Aufgaben kann man Bedeutung geben, indem man sich klar macht, wie sie mit den eigenen Wünschen und Zielen zusammenhängen. Klappt das nicht, dann mache ich sie einfach nicht. “

Gibt es Methoden die Sie anwenden, um sich bei unangenehmen Aufgaben genügend Motivation zu verschaffen?

Ich habe mit einem Thema in der Psychologie promoviert, bei dem es auch um Willenskraft und Motivation ging. Dementsprechend kenne ich viele Theorien und Tricks und wende Sie auch immer mal an, z.B. minikleine Weingläser, um nicht über die Stränge zu schlagen. Vielen unangenehmen Aufgaben kann man Bedeutung geben, in dem man sich klar macht, wie sie mit den eigenen Wünschen und Zielen zusammenhängen. Das langt mir als Motivation. Klappt das nicht, dann mache ich sie einfach nicht.

Was ist Ihr Ratschlag an junge Designer?

Idealistisch bleiben, sich aber nicht unter Wert verkaufen. Modisch bleiben, aber nicht oberflächlich werden. Sich mehr für Menschen zu interessieren, als für die gute Form.

Was inspiriert Sie beim Arbeiten? Wo können Sie besonders gut kreativ arbeiten? Oder wie sähe Ihr idealer Arbeitsplatz aus?

Mein liebster Arbeitsplatz: unsere Küche.

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